Immer wiederkehrendes Element in den letzten Arbeiten Silvia Becks sind Barcodes. Formal erinnern Barcodes an die in der Einführung erwähnten archaischen Ritzungen. Nun stellen Barcodes keine spirituelle Verbindung zwischen Kosmos und Mensch her, sondern zwischen Produkt und Vertriebssystem. In dieser Funktion wurden Barcodes zum Symbol für totale Normierung und totale Kontrolle.
In den 80er Jahren wurde es modern, sich Barcodes auf den Körper tätowieren zu lassen und damit als »Sklave« eines umfassenden kapitalistischen Wertesystems zu markieren.
In diesem Zusammenhang seien die tribalen Tattoos erwähnt, deren Ornamentik ihre Träger direkt und körperlich in soziale und kosmische Strukturen integriert(e).
Grundlage von Laurence Egloffs Schaffen ist der Vorgang des Kopierens, oder vielleicht besser: der Übertragung. In ihrem malerischen Oeuvre reduziert sie Werke »Alter Meister« auf ihre Licht-und Farbführung. Sie generiert eine Essenz der klassischen Werke.
Die in der Ausstellung gezeigten Stickereien auf Baugerüstgazé mit dem Titel »Wiederholen« reduzieren das bildnerische Geschehen auf die Lineatur. Die Lineatur wird in das Gewebe eingestickt und in einem weiteren Schritt in einem zweiten Format gedoppelt. Es treten uns die grundlegenden ornamentalen Eigenschaften von grafischer Abstraktion und Rekursion ebenso entgegen wie die prinzipielle Entfaltung von Materie durch Verdoppelung bei gemilderter Symmetrie.
Marco Goldensteins Arbeit »Das ist die Wahrheit« bezieht sich auf 2 Aspekte ornamentaler Gestaltung:
Erstens arbeitet er von einem sich ständig wiederholenden Grundmodul, der Blase, ausgehend immer neue (Bild)Muster aus.
Auch der Betende, der seinen Rosenkranz spricht, geht von Kugel zu Kugel, sucht seinen Fluchtpunkt und versucht zur Ruhe zu kommen, indem er sich durch Wiederholung einer immer gleichen sprachlichen Formel
in ein Ewiges, Unwandelbares versenkt, das ihn schützend umhüllt. Goldensteins Zeichnungen könnten eine solche »Bilderflucht« sein, die sich Blase für Blase einer Vollendung nähert, auf ihrem Weg zur Wahrheit
aber nie ankommt und bestenfalls Teilwahrheiten, Parzellen auf A4 hervorbringt.
Zweitens erstellt er die Zeichnungen während seiner Arbeit in einem Meinungsforschungsinstitut und bindet so die repetitive Zwangsstruktur seiner Arbeitswelt in das entstehende ornamentale Muster ein.
Elke Graalfs Malerei, Installationen und Fotoarbeiten sind Zeichen einer Leidenschaft für Muster und einer Sehnsucht durch die Wiederholung des Selben eine Unendlichkeit auszudrücken. In den letzten 20 Jahren befasste sich die Künstlerin in ihrem Werk mit der bildlichen und empirischen Untersuchung von Oberflächen und Mustern. Zentrales Motiv in Graalfs Bildern ist ein Strickmuster, das Körpervolumen umspannt, Falten wirft, Räume durchdringt oder sich in dem Nichts der Abstraktion verliert.
Mit dem Grundmodul des Strickmusters – »V« – findet Graalfs ein rhythmisch und rekursiv verwendbares Zeichen, das auf eine komplexe Form von Verknüpfung, eine elementare Matrix verweist.
Anett Laus künstlerische Arbeit mit Ornamenten beruht auf einer Forschungstätigkeit: Sie sucht in Archiven nach Musterbüchern traditioneller Ornamentik und untersucht ihre Fundstücke auf ihre formalen, geometrischen Grundstrukturen. Die so aufgefunden Maßeinheiten und Verhältnisse verweisen immer wieder auf ältere Vorgänger und zeigen die historische Dimension, die geometrische und stilstische Entwicklung der Ornamente auf.
In der konkreten Umsetzung ihrer Werke seziert sie die Ornamente, legt Bezüge frei und kombiniert, schichtet die Ergebnisse zu raumbezogenen Installationen.
Anett Lau sagt dazu:
Gefundene Materialien, wie zum Beispiel Tapeten und Formulare werden zu einer Matrix, die ich als Ausdruck menschlicher Ordnung empfinde. Ich überzeichne, collagiere oder schneide und bedrucke diese vorhandenen Muster und Ornamente und installiere sie im Raum.
In seiner jüngsten Werkgruppe verbindet der dänische Künstler Peter Nansen Scherfig seine Leidenschaft für ornamentales Tapetendesign – u.a. gestaltete er Tapeten für die Sammlung des Esbjerg Kunstmuseum, Jutland – mit seinen langjährigen biologischen und ästhetischen Studien der Asseln.
Der Kreis ist eines der ältesten bekannten Ornamente, oft gedeutet und vielfältig in seinen Bedeutungen: sei
es als Symbol der Ewigkeit, als ewiger Zyklus, die Sonne, der Mond oder auch als die perfekte geometrische Form.
Für all diese bedeutungsschwangeren Eigenschaften steht die Kugelassel. Nicht nur durch ihre Form, sondern auch durch ihre verblüffende Überlebensfähigkeit, repräsentiert sie für mich eine prä-anthropozäne Ornamentik deren ewige Wiederholung zu einem eigenen Muster wird; zu einer endlosen Tapete, die sich in Raum und Zeit entfaltet. Eine Musterform, die die menschliche Ornamentik überleben wird.
Asseln oder die Faszination an prä-anthropozäner Ornamentik (Essay von Peter Nansen Scherfig)
www.facebook.com/public/Peter-Nansen-Scherfig
Veronika Schumacher kombiniert ihre Zeichnungen mit eigenen dazu erarbeiteten Tapeten-, Textil- und Möbelgestaltungen zu einer übergreifenden atmosphärischen Gesamtinstallation/Inneinrichtung, um den klassischen zeichnerischen Ansatz zu einem »Salon der Zeichen« auszuformulieren und zu verdichten.
Die Tapete definiert die Form und bildet den Raum, dient aber auch als Stimmungs Katalysator und kommentiert die übrigen Elemente inhaltlich.
Spannend ist hier insbesondere die Dualität von Zeichnung in ihrer Klassischen dem Tafelbild entsprechenden Rolle, sich gleichzeitig selbst möblierend und umgebend.
Es ist die Perspektive der purifizierten ästhetischen Moderne, aus der die Dekoration endgültig zum Un-Ding wird, zum Dekorativen. Rhetorisch geworden, lässt sich dann wiederum mittels des Dekorativen die Frage nicht nur nach dem ästhetischen, sondern ebenso nach dem sozialen und geschlechtlichen Muster der hierarchischen Wertungen in Haupt- und Nebensache, in Werk und Beiwerk, in high und low art stellen.
Mich fasziniert Kunst mit ausgeprägtem Raumbezug. Aus diesem Ansatz heraus habe ich mich in den letzten Jahren mit Tapeten als einer Art Kunst-am-Bau-light beschäftigt. In diesem Zusammenhang rückte auch das Ornament in meinen Fokus. Dabei interessiert mich seine Janusköpfigkeit: einerseits kann es als ein Netz aus bedeutungsvollen Einzelelementen inhaltlich hoch aufgeladen sein, andererseits tritt es in der alltäglichen Wahrnehmung als bloße Nebensächlichkeit zurück.
Ihre Beschäftigung mit Ornamentik beginnt mit ihrer Auseinandersetzung mit dem britischen Arts & Crafts Künstler
William Morris. In der Arts & Crafts Bewegung, wie im Jugendstil, verbanden sich Kunst, Design und Architektur. Das Ornament, in seiner Verbindung von Geometrie und floralen, »natürlichen« Formen kam letztmals intensiv zur Anwendung.
Dana Widawski tauschte Embleme der auf Ganzheitlichkeit und Ausgleich von Mensch und Natur ausgelegten Tapetenmuster William Morris’, gegen Symbole von Missbrauch von Natur, Depression, u.a. aus. Sie nutzt die gegebene Ornamentik als harmonische Grundlage für die Erzeugung von Brüchen, von emotionalen Schocks.
In ihren jüngsten Werken arbeitet sie mit Unterglasurmalerei auf weißen Fließen. Auch hier trifft eine vom Bürgertum adaptierte Form – die bekannten Delfter Fließen – auf eine radikale künstlerische Umdeutung.
In ihrer Arbeit »Geh doch« durchdringt das von ihr aus Penisraute, Vergissmeinnichtblüte und Iris gestaltete Ornament die Darstellung ihres nackten Körpers. Das Ornament wird als Zwangsstruktur internalisiert.